Distillerie Paul Devoille

Die Gemeinde Fougerolles im Osten Frankreichs wird oft mit Obstbränden in Verbindung gebracht. Im 19. Jahrhundert siedelten sich hier einige Destillateure an, die sich den ausgedehnten Obstbau in der Region nutzbar machten. Das hier gebrannte Kirschwasser, der "Kirsch de Fougerolles" war besonders populär und ist immer noch eines der Aushängeschilder der Region. Heute ist diese Produktbezeichnung als kontrollierte Herkunftsbezeichnung geschützt.

Einer der Destillateure des Fougerolles war Xavier Devoille, der sich hier 1859 niederließ. Sein Sohn Paul sorgte für die Ausweitung der Geschäftstätigkeiten, und etablierte die Brennerei als eine der bedeutendsten der Region. Neben der regional üblichen Obstbrandherstellung wurde die Absinthproduktion bereits im späten 19. Jahrhundert aufgenommen.

Seit der Geschäftsübernahme durch Rene de Miscault in 1985 wird die Destillerie als Familienbetrieb geführt. Heutiger Geschäftsführer ist Hugues de Miscault, der sich die Zeit genommen hat unseren Fragebogen zu beantworten.

Wir sind ein handwerklicher und familiärer Betrieb. Unsere Destillerie hat jüngst den Titel "Unternehmen des lebendigen Handwerkserbes" erhalten, das Unternehmen auszeichnet, die über eine reiche Erfahrung und Besitztümer verfügen.

Dieser Titel wird von der französischen Regierung an Unternehmen verliehen, die in regional begrenzter Tätigkeit außerordentliche traditionelle Fachkenntnis in der Produktion aufweisen. Ein Zeugnis dafür, dass die Distillerie Paul Devoille besonderen Wert auf ihre geschichtliche Authentizität legt.

Unsere Herstellungsmethoden sind identisch mit denen, die wir schon vor 100 Jahren verwendet haben: die gleichen Kräuter, die gleichen Techniken.

Tatsächlich werden für die Herstellung der unter Hausmarke vertriebenen Absinthe die originalen hauseigenen Rezepte verwendet:

Als wir uns dazu entschlossen, wieder Absinth herzustellen, holten wir unsere alten Rezepte aus dieser Zeit hervor. Die Rezeptbücher waren in dem "Musée des Eaux de Vie" im Elsass untergebracht.

Das Museum wird von Rene de Miscault geleitet, seitdem sein Sohn Hugues die Geschäftsführung der Destillerie übernahm.

Obwohl die alten Rezepte vorhanden waren und das nötige Wissen für die Absinthherstellung leicht verfügbar machten, war die Wiederaufnahme der Absinth-Herstellung nicht unproblematisch:

Diese Rezepte verwendeten Maßeinheiten von damals - ein botanischer Kübel von dieser Pflanze, ein botanischer Kübel von der anderen... Es hat uns ungefähr ein Jahr und viele Versuche gebraucht, um die besten Pflanzen und Mengenverhältnisse zu finden und letztendlich ein zufriedenstellendes Rezept zu formulieren.

Das Sortiment

Ergebnis dieser Bemühungen ist ein Produktportfolio diverser Absinthe, die unter der Hausmarke vertrieben werden:

Libertine Originale 55%
Libertine Amer 68%
Libertine Intense 72%

Fleur d'Absinthe
Absinthe du Centenaire

Absinthe La Charlotte

Darüber hinaus werden noch weitere Absinthe für den Vertrieb durch andere Firmen hergestellt:

Absinth Soixante Cinq
Verte de Fougerolles
Blanche de Fougerolles

Eine gesonderte Reihe von Absinthen, "Les Parisiennes", werden für das auf Absinth spezialisierte Pariser Fachgeschäft "Vert d'Absinthe" hergestellt. Einige dieser Absinthe kommen aus der Distillerie Paul Devoille:

La Coquette
L'Enjoleuse
La Desiree

Die große Auswahl verschiedener Produkte macht deutlich, dass die Herstellung von Absinth einen wesentlichen Teil des Geschäftsbetriebes der Destillerie ausmacht:

Absinth ist eines unserer Flagschiff-Produkte seit Anfang 2000.

Dieses Engagement wurde mit verschiedenen Preisen internationaler Wettbewerbe ausgezeichnet, unter anderem der Silbermedaille des Interationalen Spirituosen Wettbewerbs für den Absinthe Libertine Intense 72% in 2013, oder dem Master Award der Absinthe Masters 2011 für den Absinthe Blanche de Fougerolles.

Die Herstellung

Die Herstellung der verschiedenen Absinthe erfolgt nach einem einheitlichen Standard:

Alle unsere Absinthe werden mit Respekt vor den alten Traditionen produziert. Sie werden ausschließlich mit Pflanzenpräparaten hergestellt - verschiedene Wermutsorten, Fenchel, Süßholz, Melisse, Anis, Engelwurz, Ysop... keine Farbstoffe, kein Zucker.

Bei einer ausführlicheren Beschreibung bestätigt sich die Betonung auf historisch authentischen Herstellungsmethoden. Für die Herstellung wird die historische Technik der Mazeration mit anschließender Destillation verwendet.

Die Kräuter werden getrocknet, und anschließend in Alkohol einmazeriert. Dann wird das Mazerat destilliert. Wir mischen einen Verschnitt aus den Pflanzendestillaten, woraus sich das Fundament des Absinths ergibt, der Spirit.
Der Spirit wird mit weiteren Kräutern in den Destillierkolben gefüllt. Das Ganze wird leicht erhitzt, um das Chlorophyll der Pflanzen zu extrahieren. So entsteht die grüne Farbe und zusätzliche Aromen. Abhängig von den verwendeten Kräutern, und der Dauer der Erhitzung erhalten wir unterschiedliche Grüntöne, die von gelblich-grün bis bräunlich-grün reichen.

Als einzigen nennenswerten Unterschied zur historischen Herstellung führt Hugues de Miscault einen technischen Fortschritt der Destillierkolben auf:

Nur das Erhitzen der Destillierkolben ist heute präziser, da unsere Destillierkolben mit niedrigem Druck dampferhitzt werden, was es uns ermöglicht die Temperatur leichter zu regulieren.

Hugues de Miscault schätzt die Qualitätsstandards seiner eigenen Destillerie als üblich für französische Produzenten ein.

Grundsätzlich ist der französische Absinth-Markt recht hochwertig. Französische Absinthproduzenten stellen Qualitätsprodukte her, die auf alten Rezeptbüchern basieren. In der Schweiz ist die Situation mehr oder weniger identisch. Im Rest Europas finden wir hingegen grelle, blaue, pinke Absinthe, alle möglichen Färbungen...

Authentische Absinth-Kultur

Tatsächlich gibt es heute eine Menge von unauthentischen Produkten auf dem deutschen Markt, die oft nicht nach traditionellen Methoden hergestellt sind und künstliche Farbstoffe beinhalten. Warum sind diese Produkte in Deutschland und Osteuropa so weit verbreitet?

Diese Produkte sind beliebt, weil sie Spaß machen und hübsch gefärbt sind, trendig. Aber sie sind kein echter Absinth. Diese Hersteller richten sich an junge Konsumenten, verkaufen ihre Produkte in Bars und Nachtclubs, und kommunizieren durch Social Media. Doch diese Art von Absinth ist komplett denaturiert, und diese Konsumenten kennen den "echten" traditionellen Absinth nicht. Wir sind hier weit entfernt von den Qualitätsstandards französischer und schweizerischer Herstelller. Und das ist bedauerlich. Besonders für jüngere Konsumenten.

In Deutschland wird unter einigen Konsumenten oft von einem besonderen Rauscheffekt des Absinth gesprochen, der über einen gewöhnlichen Alkoholrausch hinausgehen soll. Hugues de Miscault führt dies auf die höhere Alkoholstärke im Absinth zurück:

Wie jeder Alkoholkonsum, egal welcher Art, erzeugt Absinth ein Wohlgefühl, eine Euphorie. Tatsächlich ist der Absinth-Effekt vielleicht ein wenig intensiver, wegen der hohen Alkoholkonzentration. Manche Konsumenten verwenden nur ein wenig Wasser, oder sogar gar keines.

Das vielleicht hartnäckigste Gerücht, das man in Deutschland nicht nur von schlecht informierten Konsumenten, sondern auch von einigen Produzenten und Händlern hört, ist die vermeintliche Rauschwirkung des im Absinth enthaltenen Thujon.

Wir haben nie das Verkaufsargument 'Thujon' verwendet. Wir denken, es ist kein Verkaufsargument. Es ist komplett möglich, sehr gute Absinthe mit sehr geringem Thujongehalt herzustellen.

Die Absinthkultur in Deutschland leidet nicht nur an einer Menge von Falschinformationen. Hersteller unauthentischer Produkte betreiben oft aggressives Marketing, das neben unseriösen Marketingaussagen auch zu unauthentischen Trinkweisen führt. Bestes Beispiel ist das "böhmische Ritual", bei dem ein in Absinth getränkter Zuckerwürfel angezündet wird. Viele Absinthgenießer halten diese Methode für die historische, allerdings handelt es sich tatsächlich um eine neumodische Erfindung.

Wir haben von Anfang an empfohlen, Absinth nach der traditionellen Methode zu genießen, entsprechend der Zeremonie aus den alten Zeiten: die Wasserfontäne, der Zucker, der Absinthlöffel. Und das ist, was unsere Kunden mögen. Das Servieren von Absinth zwischen Freunden muss ein freundschaftlicher Moment sein, ein Moment des Teilens. Ein Absinth will verdient sein. Das Warten während der Zubereitung des Getränks gibt dem Moment der Verkostung mehr Kraft.
Das Anzünden des Zuckers empfehlen wir unseren Kunden nicht.

Ein weiterer Grund, warum unauthentische Produkte unter jüngeren Konsumenten beliebt sind, könnte der Preisunterschied sein. Oft sind authentische Produkte teurer als unauthentische Produkte.

Absinth ist tatsächlich ein kostspieliges Produkt. Es ist kostenintensiv, weil es oft komplexe Rezepte benötigt, die viele Zutaten beinhalten und eine bestimmte Fachkenntnis erforden. Doch sollte man auch nicht die Steuern vergessen, die einen erheblichen Anteil des Preises ausmachen. Und wir glauben nicht, dass die Staaten dazu bereit sind, die Steuern zu senken, eher im Gegenteil...

Einige seriöse Hersteller und Händler befürworten das Einführen einer rechtlichen Produktdefinition für Absinth, die sicherstellen würde dass nur noch authentische Produkte als "Absinth" bezeichnet werden dürfen. Die Destillerie Paul Devoille unterstützt diese Herangehensweise.

Ja, Absinth muss gesetzlich reguliert werden. Die Schweiz hat eine interessante Regulierung übernommen, die die historischen und traditionellen Aspekte des Absinth respektiert. Diese Form der Produktkontrolle sollte sich auf den Rest Europas ausweiten.

Warum ist das bis jetzt noch nicht möglich?

Das Aufstellen einer solchen Regulierung auf europäischer Ebene ist schwierig, da es zwei verschiedene Arten von Unternehmen gibt, die Absinth herstellen:
- Händler, die nur an sofortigen Profit denken
- Produzenten, die eine respektvollere Vision für den Absinth und seine Geschichte haben, und längerfristig planen.
Diese zwei Kategorien haben unterschiedliche und inkompatible Visionen. Deswegen ist es schwer, eine einheitliche Regulierung zu formulieren.

Der geheime Garten

Die Distillerie Paul Devoille verpflichtet sich also gänzlich historischer Tradition, von der Herstellung der Absinthe, über die Kultur des Getränks, bis hin zur Unterstützung politischer Maßnahmen für eine schützende Produktregulierung. Allerdings geht man in der Konsumentenaufklärung noch einen Schritt weiter. Die Distillerie öffnete 2014 den hauseigenen Garten "Le Jardin Secret de la Fée Verte", der Besuchern ganztägig offen steht. Hier werden viele der Kräuter in Eigenarbeit angebaut, geerntet und getrocknet, die dann für die Herstellung der verschiedenen Absinthe Verwendung finden.

So zum Beispiel für ein neues Produkt, den "Absinthe du Centenaire", der anlässlich des 100. Jahrestags des französischen Absinth-Verbots von 1915 kreiert wurde. Dieser Absinth wurde bereits mit zwei Preisen ausgezeichnet, der Best of Gourmet Selection 2015 und der Goldmedaille des Concours Mondial Bruxelles 2015.
Für die Herstellung dieses Absinths werden drei verschiedene Wermutsorten und diverse weitere Kräuter verwendet, die alle aus dem hauseigenen Garten stammen.

Unsere Kunden fragen oft nach Informationen über die Pflanzen, die für die Absinthherstellung verwendet werden. Viele denken, dass da nur Wermut drin ist. Um die Neugierde zu stillen haben wir einen Garten erschaffen, in dem wir alle Pflanzen präsentieren, die in der Produktion von Absinth verwendet werden: Melisse, Ysop, Engelwurz, Fenchel... natürlich ohne eine Sammlung von Artemisia zu vergessen, mit Artemisia Absinthium und Artemisia Pontica.

Internetauftritt der Distillerie Paul Devoille
Facebookseite Jardin Secret de la Fée Verte